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Zwiebeltürme in Oberbayern

Zwiebeltürme sind nach Wilhelm Hausenstein (1882-1957) eine Synthese aus dem Verharren in den Wölbungen des Sinnlichen und der aufwärts strebenden Bewegung ins Übersinnliche. Sie sprechen damit einen Grundton menschlicher Lebensart an.

Die Zwiebelturmkirche vor der Alpenkulisse ist geradezu zum Sinnbild für Bayern geworden. Die Denkmalschutzlisten führen für ganz Bayern etwa 3.620 Kirchen und Kapellen mit Zwiebeltürmen und ähnlichen barocken Kunstformen auf. Allein in Oberbayern sind es rund 1.200.

Das Besondere ist: jedes dieser Bauwerke ist einzigartig. Allein die Größenspanne reicht vom Dachreiter auf der unscheinbaren Kapelle am Wegesrand bis zu den mächtigen Türmen der Münchner Frauenkirche. Jeder Turm bietet eine andere Kombination von Zwiebelform, Turmstumpf, Turmschaft, Kreuz, Stuckatur, Farbgebung, Höhe und Position. Es gibt keine zwei identischen. Die „Star-Architekten“ der damaligen Zeit verwirklichten zwar jeweils zahlreiche Kirchtürme, doch auch sie entwickelten immer wieder neue Varianten.

Das Ziel der folgenden Zusammenstellung ist es, diese Bandbreite und Vielfältigkeit aufzuzeigen, um damit den kulturellen Reichtum zu verdeutlichen. Dies bedingt von vornherein, den gesamten Turm ins Blickfeld zu nehmen und sich nicht allein auf die eigentliche Zwiebel zu beschränken. Oftmals lässt sich ein eher schlicht gehaltener unterer Turmteil (Turmstumpf) von einem darüber aufragendem Schaft unterscheiden, dessen Schmuckreichtum noch den der eigentlichen Zwiebelspitze übertrifft.

Auch hinsichtlich der Spitze gilt es offen zu sein für eine große Bandbreite. Sie reicht von der schlichten naturnahen Zwiebelform bis hin zu mehrstöckigen Aufbauten aus zwiebelartigen Gebilden und Zwischengliedern. Nicht selten wird die ursprüngliche Zwiebel zu einem quadratischen Polster verfremdet oder nimmt die Form einer Haube an.

Der Begriff Zwiebelturmkirche steht hier für eine Gestaltungsidee des Barock, die Repräsentation mit Eleganz und Lebenslust verbindet. Es geht nicht um eine strenge Abgrenzung, sondern die Grenzen zu anderen Architekturformen sind fließend.

Bei der Vielgestaltigkeit des Themas sind andererseits gewisse Beschränkungen sinnvoll. So handelt es sich im Folgenden ausschließlich um Zwiebeltürme/Dachreiter von Kirchengebäuden. Die nicht seltenen Zwiebeln auf Rathäusern, Schlössern, Villen bleiben unberücksichtigt.

Zwiebeltürme sind weltweit anzutreffen und haben ihren Schwerpunkt wohl im Bereich der orthodoxen Kirchen. Hier wird lediglich ein Überblick über den Regierungsbezirk Oberbayern angestrebt. Auf der Grundlage der bei Wikipedia aufgeführten Denkmallisten wurden die Kirchen und Kapellen mit Zwiebeltürmen ermittelt und vor Ort erhoben. Das Bildmaterial stammt damit ausschließlich vom Autor.

Das vorliegende Ergebnis ist in vielerlei noch unvollkommen und in jeder Beziehung ein work in progress:

 

  • Dies beginnt bereits bei der Vollständigkeit. Bisher wurden von den 1.218 Kirchen mit Zwiebeltürmen in Oberbayern  erst 691 (Stand Dezember 2022) erhoben. Bis zum Abschluss wird es voraussichtlich noch mehrere Jahre dauern.
  • Unter dem Baualter  wird nach Möglichkeit der Zeitpunkt angegeben, zu dem die Kirchturmspitze in ihrer heutigen Erscheinungsform fertig gestellt wurde. Die Denkmallisten sind in diesem Punkt sehr lückenhaft, und sonstige Literaturquellen wie Kirchenführer, Landkreisbeschreibungen und Kunstbänden von Zufällen abhängig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kirchturm nicht immer gleichzeitig mit dem Kirchenschiff errichtet wurde. Die Zwiebelspitzen entstanden oftmals im Zuge der Barockisierung des eigentlich wesentlich älteren  Kirchenschiffes. Hinzu kamen im Laufe der Jahrhunderte Stürme, Feuersbrünste und Bauschäden, so dass ein Turmalter oftmals nicht einfach zu bestimmen ist, bzw. mit Unsicherheiten belegt ist.
  • Kaum einfacher ist es herauszufinden, wer die jeweilige Turmzwiebel geplant und gebaut hat. Heute unterscheiden wir zwischen Architekten und ausführender Baufirma. Im 18. Jahrhundert war dies noch weitgehend vermischt. Wenn Namen vorliegen, ist meistens nicht überliefert, welche Rollen sich dahinter verbergen. Bei manchen Kirchen kennt man die einzelnen Handwerker und hat damit das Gemeinschaftswerk vor Augen, doch das sind Ausnahmen. Man kann nur vermuten, dass in den Archiven der Diözesen und Pfarreien noch zahlreiche Informationen schlummern.
  • Die Höhenangaben zu den Türmen beziehen sich auf den Bereich Fundamentoberkante bis hinauf zur Mitte der  Turmkugel (Turmknauf, Turmknopf) für die Gesamthöhe und von der Unterkante des Übergangs vom Turmschaft zur Turmspitze bis zur Turmkugel für die Höhe der Turmspitze. Die Maße wurden vor Ort ermittelt. Da hierfür nur eine sehr schlichte technische Ausrüstung verfügbar ist, muss mit Abweichungen von ca. 10 % gerechnet werden.

Ein gewisser Anteil der aufgezeigten Unvollkommenheiten ließe sich sicherlich beheben, wenn die jeweiligen Pfarreien mit einbezogen würden. Dies ist in einigen wenigen Fällen mit sehr erfreulichen Ergebnissen geschehen, doch in der eindeutigen Mehrheit waren die Versuche nicht erfolgreich.

 

Ich appelliere an die Leser, ihre Kenntnisse einzubringen und damit zur Verbesserung der Zusammenstellung beizutragen.

 
Autor Peter Neumann

Ich bin Dr. Peter Neumann (*1940). Seit etwa 2010 beschäftige ich mich als Quereinsteiger mit dem Thema Zwiebelturm und verwandte barocke Bauformen.

Karte von Bayern mit Landkreisen

Oberbayerische Landkreise (lila)

Karte von Bayern mit Landkreisen

Oberbayerische Landkreise